Bericht über meinen Aufenthalt und meine Aktivitäten in Yenangyaung, Myanmar an der “Light of Love Highschool” vom 20. Nov. bis 14. Dez. 2013
Mein Name: Herbert Pfrommer
Alter: 67 Jahre
Beruf: Lehrer in den Fächern Englisch und Sport für Gymnasien und Berufliche Schulen – seit 2011 im Ruhestand.
In den vergangenen 2 Jahren habe ich an mehreren Schulen in Nepal für jeweils 4 Monate unterrichtet. Dabei arbeitete ich für eine deutsche NGO und habe versucht, in Zusammenarbeit mit den dortigen Lehrern europäische Lern- und Lehrmethoden vorzustellen. Dabei lernte ich für uns nur sehr schwer vorstellbare Bedingungen kennen.
Nun kenne ich auch den „Förderverein Kinderhilfe-Birma e.V.“ schon seit einigen Jahren und habe auch selbst eine Patenschaft für ein Kind übernommen. Nachdem Eric Trutwein die Zulassung für die Schule erhielt, wurde ich gebeten, auch dort meine Erfahrung einzubringen.
So flog ich also am 17. Nov. los mit ca. 18 kg Schulmaterialien, 1kg persönlichem Gepäck und dem verbleibenden einen kg an Geschenken. Ich war zwar mit Eric in Email-Kontakt, aber so richtig wusste ich wirklich nicht, was mich erwartete.
Nach den üblichen Anreisestrapazen kam ich dann also am 20.11.2013 morgens um 4 Uhr mit dem Bus in Yenangyaung an. Ich war mit Victoire, der besten Freundin von Marie Christine’s Tochter angereist, die für ungefähr denselben Zeitraum als Volontärin an der Schule tätig sein sollte. Marie-Christine ist Französin, Englischlehrerin und momentan Schulleiterin an der neu errichteten „Light of Love Highschool“. Eric holte uns ab.
Die erste Überraschung war für mich die Unterkunft. Inmitten der Holzhütten waren die Guesthouses schon eine sehr noble Art zu wohnen, mit sauberem Bad, Ventilator, AC und weichem Bett. Von der schönen Lage auf einer felsigen Anhöhe über dem Flusstal hatte ich ja schon gehört.
Die zweite Überraschung kam dann nach dem Frühstück, als ich zur nur einen Katzensprung entfernten Schule hinüberging. Die Schulanlage auf einem mit vielen Bäumen und Büschen bewachsenen, sandigen Gelände besteht aus 3 Hauptgebäuden und einem Hausmeister/Gerätebau.
Ich hatte eine so solide und gute Baulichkeit nicht erwartet. Aber die eigentliche Überraschung waren die Ausstattung und die Materialien. Allen voran die Preschool/Kindergarten mit Spielanlagen im Außenbereich und einer fast üppigen Sammlung an Spielen, Büchern und Wandtafeln bis zu Trampolin und Musikinstrumenten. Drei junge Erzieherinnen kümmern sich um die ca. 10 Drei- bis Fünfjährigen.
Von kindgerechten Möbeln, Whiteboards in allen Klassenzimmern, Trinkcontainern mit Trinkwasser für alle, sauberen Toiletten mit Waschstellen bis zur Bibliothek oder dem mit ca.15 Laptops bestückten Computerraum – das hatte ich von einer gerade neu eingerichteten Schule in einem Drittland nicht erwartet und es war so total anders als das, was ich von Nepal her kannte.
Also die Startbedingungen waren sehr vorteilhaft, nun galt es den Schulalltag kennenzulernen. Natürlich dauert dies einige Zeit, bis man da etwas durchschaut. Erschwerend sind die Kommunikationsprobleme, da die wenigsten der Lehrer (und Schüler sowieso) nicht gut oder gar nicht Englisch sprechen.
Also los Englischlehrer, da hast du ja was zu tun – aber was mit wem in welchen Klassen, welchen Materialien? Da kommt die erste Bremse: Von Marie, der Schulleiterin erfahre ich, dass am kommenden Samstag Tag der offenen Tür ist. Sie hat dies angeregt, da man für die kommenden Schuljahre auch Schüler von Eltern aufnehmen will, die Schulgeld bezahlen können um damit die erheblichen Betriebskosten (v.a. Lehrergehälter) mitzufinanzieren. Diese Neuveranstaltung bedeutet natürlich viel Anstrengung für alle Beteiligten wie z.B. einer Bühne, Ausschmückung und Reinigung aller Räume, Einüben von Vorführungen, Bewirtung etc.
Hier bemerke ich, dass mit einer europäischen Schulleiterin doch ein organisatorisch durchdachtes Konzept vorhanden ist – trotz vorhandener Kommunikationsprobleme (kurz darauf wurde eine junge Sekretärin mit gutem Englisch eingestellt, was die Dinge jetzt sehr vereinfacht).
Meine Aufgabe ist es, meine neuen Schulmaterialien in die Bibliothek einzuordnen und den Computerraum mit interaktiven Englischprogrammen zu bestücken und Schüler zum Vorführen einzuweisen.
Dann ist es soweit. Mit Spannung erwarten wir die Gäste – oder kommt etwa gar niemand. Sie kommen, zwar nicht in Scharen, aber für die erste Veranstaltung dieser Art doch eine gute Resonanz.
Die Schülerinnen und Schüler haben viel Freude an ihren Vorführungen und wir werten die Veranstaltung als vollen Erfolg.
Da die Wochenenden schulfrei sind (Sa. u. So.), ist der Sonntag frei für einen ersten ausgedehnten Spaziergang durch die umliegende Nachbarschaft (Hütten) hinunter ins Ayeyarwaddy-Tal entlang der Sandsteinfelsen und zum entfernten Flussufer.
Dann folgen die ersten 2 regulären Schultage, an denen ich als Vertretung der entschuldigten Lehrerin Than Than Thay die Mittelschulklassen 6-9 ganztägig in Englisch unterrichte. Dies ist eine gute Gelegenheit, die Schüler und ihren Leistungsstand kennenzulernen.
Die Klassen sind klein -zwischen 5 und 13 Schülern- die Mitarbeit und Freude groß, der Respekt und Achtung vor den Lehrern ist tief und unvergleichbar mit unseren Breiten. Ein Schlaraffenland für einen an deutsche Schulen gewöhnten Lehrer.
Die Bereitschaft, dem Lehrer nachzusprechen oder einzelne erfragte Wörter zu produzieren ist sehr hoch. Jedoch stelle ich sehr schnell fest, dass eine Kommunikation, selbst eine sehr einfache Small Talk Situation, nicht möglich ist. Das kenne ich von Nepal und liegt ganz einfach an der in Asien offenbar überwiegend gängigen Methode des passiven Reproduzierens des Lehrers, sei es im Nachsprechen, im Abschreiben von der Tafel oder modellhaftem Umformen von vorgegebenen Strukturen, meist als Grammatikarbeit. Eigene, situative Sprechimpulse werden offenbar von Beginn an nicht geübt.
Also versuche ich dies gleich einmal mit einfachen Aufforderungen, die ich mit Zeichensprache und/oder im Vormachen mit meinem „englischsprachigen Stoffhund Trumble“ verständlich mache. Das dauert zwar mal kurze Zeit bis der Erste es kapiert, aber dann sehen es die anderen und können die engl. Anweisung ausführen. Dies geht dann im Wettbewerb: Der erste, der es kapiert rennt und macht die Tür auf (open the door please). Die Stunden gehen vorbei wie im Flug und wir alle haben einen Riesenspaß. Also es liegt an der Lehrmethode. Zwar dauert es noch etwas, bis die Schüler (dürfen jetzt Lehrer spielen) selbst die engl. Anweisungen geben können, aber das ist ja auch ein großer neuer Schritt für sie. Im Übrigen konnte ich dieselbe Methode in allen Klassen anwenden, da alle Schüler auf diesem Gebiet bei Null anfingen.
Nun war die Frage, ob und wie ich mit dem in der Mittelstufe eingesetzten Englischlehrer U Kaung Tin zusammenarbeiten konnte. Schnell wurden wir „Freunde“. Er hatte auch bei meinen Stunden kurz reingeschaut und war offensichtlich sehr angetan. Er wollte meine Methoden kennenlernen, wies aber auch darauf hin, dass in Kl. 5 und 9 die staatl. Prüfungen anstanden. So einigten wir uns auf ein kooperatives Modell: Er begann in der Regel mit seiner überwiegend auf Reproduktion basierenden Lehrweise und ich übernahm dann und wandte meine auf Kommunikation abzielenden Methoden an. So behandelte er z.B. ein Grammatikthema an der Tafel und ich kreierte im Anschluss daran Situationen, in denen die Schüler das Thema versprachlichen und kommunikativ anwenden sollten. Das war für alle Beteiligten sehr lehrreich und spannend und machte häufig auch großen Spaß. Für die Schüler waren Rollenspiele mit Bewegung im Klassenzimmer, Gruppenbildung und Pairwork bislang unbekannt. Mein Kollege übernahm auch schon ab und zu die neuen Anregungen und so waren wir ein gut funktionierendes Team. Entsprechend schwer fiel uns der Abschied nach einmonatiger enger Zusammenarbeit.
Schulsport steht zwar mit 1-2 Wochenstunden im Stundenplan und wird vom Mathematiklehrer und in den unteren Klassen von den Lehrerinnen „durchgeführt“. Es gibt keinen richtigen Sportlehrer. So wurde mein Angebot als Sportlehrer in den Oberklassen Volleyball einzuführen gerne angenommen.
Ein Netz wurde von Zoe besorgt und nach einigen Meinungsverschiedenheiten mit Marie über den Standort konnte es losgehen. Erst musste ich noch dem Lehrer klarmachen, dass er jetzt keine Freistunden hatte, sondern von mir die Grundbegriffe und deren Vermittlung im Unterricht erlernen sollte. Schließlich sollte er ja hinterher die Sache fortführen. Er war dann aber in kurzer Zeit so begeistert, dass er sogar in den Pausen mit den Schülern weiterübte und spielte. Ich war überrascht, mit wie viel Freude dieses Spiel von Groß u. Klein, von Buben wie Mädchen aufgenommen wurde, wenngleich man schon genau hinsehen musste, um dahinter das Spiel als Volleyball zu identifizieren.
Aber schließlich dauert dies an unseren Schulen manchmal ja auch 1 Jahr oder länger. Man sollte auch nicht vergessen, dass für die Kinder kaum eine Möglichkeit besteht, irgendwelche Sportarten in oder außerhalb der Schule auszuüben, so wie das bei uns der Fall ist.
Im Übrigen wird von den staatlichen Behörden unter vielen anderen Auflagen für Privatschulen auch eine Sportanlage gefordert, sodass ich einen Plan für den Platz vor dem Hauptgebäude erstellt habe, auf welchem Volleyball, Handball, Fußball, Basketball und evtl. Badminton gespielt werden kann. Dies soll dann baldmöglichst als Hartplatz erbaut werden.
Weiterhin wurde während meines Aufenthalts flott an der Errichtung des Obergeschoßes über dem Lehrerzimmer gearbeitet, Es ist so gut wie fertig. Dies soll das Klassenzimmer für Klasse 10 im kommenden Schuljahr werden. Auch dies eine staatliche Auflage (High School – bis Klasse 11).
Darüber hinaus wird noch ein Medienraum verlangt, aber ich schlug vor, den bestehenden Computerraum einfach als Medienraum auszugeben.
Die Räume sind von der Größe und dem Mobiliar schon so ausgelegt, dass für die zukünftige Erweiterung bzw. Vergrößerung der noch sehr kleinen Klassen vorgesorgt ist.
Ein Schultag läuft kurz beschrieben etwa wie folgt ab:
Ca. 8.45: Eintreffen der 2 Schulbusse mit den z.T. von entfernten Dörfern abgeholten Kinder.
09.00-10.30: 1.u.2. Std. dann 15 min Pause.
10.45-12.15: 3.u.4. Std. dann 45 min Mittagspause/Essen.
13.00-14.30: 5.u.6. Std. dann 15 min Pause.
14.45-16.15: 7.u.8. Std. Sammeln an den Bussen und Verabschiedung/Heimfahrt.
Was ich außer der Schularbeit (unterrichten, vorbereiten und Doku mit Lehrprinzipien/Methoden schreiben) von Myanmar gesehen habe, beschränkte sich auf einen eintägigen Ausflug zum Mt. Popa, den ich mit Victoire und unter der fachkundigen Leitung meines Englischkollegen u. seiner Frau an einem Samstag unternahm.
Den bekannten Touristenort Bagan mit seinen unzähligen Pagoden durfte ich nach Unterrichtsende für 2 Stunden „streifen“, als wir Maries Tochter von dort abholten. Wenigstens einen Eindruck nahm ich mit. Da wir aber erst kurz vor Dunkelheit eintrafen, sah ich dann Bagan by night.
Was ich sonst noch außerhalb der Schule von Land und Leuten sah, beschränkte sich auf Yenangyaung (Markt) und Umgebung. Dabei war für mich beeindruckend die Auslieferung der monatlichen Verpflegungsrationen an die von uns gesponserten Kinder/Familien mit dem Pickup. Zum einen konnte ich die mir zwischenzeitlich ans Herz gewachsenen Kinder zuhause sehen, was sie wiederum riesig freute und zudem die Angehörigen, Nachbarn sowie deren Lebensbedingungen kennenlernen.
Dann kam ich am letzten Schultag schlussendlich auch noch dazu, mein Patenkind mit Schwester und Oma/Opa zu besuchen und die mitgebrachten Geschenke zu übergeben.
Was ich ansonsten an Eindrücken mitnahm deckt sich mit den bisherigen Berichten, vor allem aber für mich herausragend in Erinnerung bleibt, dass ich in der gesamten Zeit an der Schule keinen Streit, kein aggressives Verhalten, weder im Unterricht noch in der Freizeit feststellen konnte.
Ein für mich richtig freudiges Ereignis war dann am letzten Tag vor meiner Rückfahrt nach Yangon, einem Samstag, als ich bei einem letzten Marktbummel plötzlich unter großem Hallo von den Schülern der Klasse 9 umringt war. Ich war sehr überrascht, sie fast alle, außer meinem Patenkind und einem anderen weit außerhalb wohnenden Jungen, auf dem Markt anzutreffen. Da ihr Englisch wirklich nur rudimentär ist, konnten wir uns nur mühsam verständigen. Was ich herausbekam war, dass sie sich mit meinem Englischkollegen zur Nachhilfe für die anstehende Prüfung treffen würden. Sie nahmen mich an den Händen (so viele wie möglich) und gemeinsam bummelten wir durch die Marktstraßen. Ich wollte noch Geschenke kaufen und sie halfen mir die Dinge zu finden. Dann gab es auch noch von mir ein paar Geschenke für sie und wir hatten viel Spaß. Dann zeigten sie mir die Hütte, in welcher sie Nachhilfe erhielten. Da offensichtlich noch genügend Zeit war, zeigten sie mir noch 2 Pagoden, die ich sonst wohl nicht gefunden hätte. Zuletzt führten sie mich noch zum Treffpunkt mit U Kaung Tin, der ebenso überrascht wie erfreut war, mich nochmal zu treffen. Die ganzen 2 Stunden zusammen waren wie ein Abschlussgeschenk für mich. Ich sah sie zum ersten Mal außerhalb der Schule, nicht in Schuluniform und ohne den angenehmen aber etwas distanzierenden Respekt vor Lehrern, sondern jetzt mit reiner Freude und Freundschaft gepaart mit dem Grundrespekt der in Burma ohnehin normal ist.
Tschüss und Mingalabar
Burma Schirm Aktion
Mit dem Kauf eines Schirmes bekommen Sie nicht nur ein Unikat als Blickfang für Ihren Garten oder Terrasse, sondern können auch die Light of Love Private High School (LOL) in dieser schwierigen Zeit unterstützen.
Bericht über meinen Aufenthalt und meine Aktivitäten in Yenangyaung, Myanmar an der “Light of Love Highschool” vom 20. Nov. bis 14. Dez. 2013
Mein Name: Herbert Pfrommer
Alter: 67 Jahre
Beruf: Lehrer in den Fächern Englisch und Sport für Gymnasien und Berufliche Schulen – seit 2011 im Ruhestand.
In den vergangenen 2 Jahren habe ich an mehreren Schulen in Nepal für jeweils 4 Monate unterrichtet. Dabei arbeitete ich für eine deutsche NGO und habe versucht, in Zusammenarbeit mit den dortigen Lehrern europäische Lern- und Lehrmethoden vorzustellen. Dabei lernte ich für uns nur sehr schwer vorstellbare Bedingungen kennen.
Nun kenne ich auch den „Förderverein Kinderhilfe-Birma e.V.“ schon seit einigen Jahren und habe auch selbst eine Patenschaft für ein Kind übernommen. Nachdem Eric Trutwein die Zulassung für die Schule erhielt, wurde ich gebeten, auch dort meine Erfahrung einzubringen.
So flog ich also am 17. Nov. los mit ca. 18 kg Schulmaterialien, 1kg persönlichem Gepäck und dem verbleibenden einen kg an Geschenken. Ich war zwar mit Eric in Email-Kontakt, aber so richtig wusste ich wirklich nicht, was mich erwartete.
Nach den üblichen Anreisestrapazen kam ich dann also am 20.11.2013 morgens um 4 Uhr mit dem Bus in Yenangyaung an. Ich war mit Victoire, der besten Freundin von Marie Christine’s Tochter angereist, die für ungefähr denselben Zeitraum als Volontärin an der Schule tätig sein sollte. Marie-Christine ist Französin, Englischlehrerin und momentan Schulleiterin an der neu errichteten „Light of Love Highschool“. Eric holte uns ab.
Die erste Überraschung war für mich die Unterkunft. Inmitten der Holzhütten waren die Guesthouses schon eine sehr noble Art zu wohnen, mit sauberem Bad, Ventilator, AC und weichem Bett. Von der schönen Lage auf einer felsigen Anhöhe über dem Flusstal hatte ich ja schon gehört.
Die zweite Überraschung kam dann nach dem Frühstück, als ich zur nur einen Katzensprung entfernten Schule hinüberging. Die Schulanlage auf einem mit vielen Bäumen und Büschen bewachsenen, sandigen Gelände besteht aus 3 Hauptgebäuden und einem Hausmeister/Gerätebau.
Ich hatte eine so solide und gute Baulichkeit nicht erwartet. Aber die eigentliche Überraschung waren die Ausstattung und die Materialien. Allen voran die Preschool/Kindergarten mit Spielanlagen im Außenbereich und einer fast üppigen Sammlung an Spielen, Büchern und Wandtafeln bis zu Trampolin und Musikinstrumenten. Drei junge Erzieherinnen kümmern sich um die ca. 10 Drei- bis Fünfjährigen.
Von kindgerechten Möbeln, Whiteboards in allen Klassenzimmern, Trinkcontainern mit Trinkwasser für alle, sauberen Toiletten mit Waschstellen bis zur Bibliothek oder dem mit ca.15 Laptops bestückten Computerraum – das hatte ich von einer gerade neu eingerichteten Schule in einem Drittland nicht erwartet und es war so total anders als das, was ich von Nepal her kannte.
Also die Startbedingungen waren sehr vorteilhaft, nun galt es den Schulalltag kennenzulernen. Natürlich dauert dies einige Zeit, bis man da etwas durchschaut. Erschwerend sind die Kommunikationsprobleme, da die wenigsten der Lehrer (und Schüler sowieso) nicht gut oder gar nicht Englisch sprechen.
Also los Englischlehrer, da hast du ja was zu tun – aber was mit wem in welchen Klassen, welchen Materialien? Da kommt die erste Bremse: Von Marie, der Schulleiterin erfahre ich, dass am kommenden Samstag Tag der offenen Tür ist. Sie hat dies angeregt, da man für die kommenden Schuljahre auch Schüler von Eltern aufnehmen will, die Schulgeld bezahlen können um damit die erheblichen Betriebskosten (v.a. Lehrergehälter) mitzufinanzieren. Diese Neuveranstaltung bedeutet natürlich viel Anstrengung für alle Beteiligten wie z.B. einer Bühne, Ausschmückung und Reinigung aller Räume, Einüben von Vorführungen, Bewirtung etc.
Hier bemerke ich, dass mit einer europäischen Schulleiterin doch ein organisatorisch durchdachtes Konzept vorhanden ist – trotz vorhandener Kommunikationsprobleme (kurz darauf wurde eine junge Sekretärin mit gutem Englisch eingestellt, was die Dinge jetzt sehr vereinfacht).
Meine Aufgabe ist es, meine neuen Schulmaterialien in die Bibliothek einzuordnen und den Computerraum mit interaktiven Englischprogrammen zu bestücken und Schüler zum Vorführen einzuweisen.
Dann ist es soweit. Mit Spannung erwarten wir die Gäste – oder kommt etwa gar niemand. Sie kommen, zwar nicht in Scharen, aber für die erste Veranstaltung dieser Art doch eine gute Resonanz.
Die Schülerinnen und Schüler haben viel Freude an ihren Vorführungen und wir werten die Veranstaltung als vollen Erfolg.
Da die Wochenenden schulfrei sind (Sa. u. So.), ist der Sonntag frei für einen ersten ausgedehnten Spaziergang durch die umliegende Nachbarschaft (Hütten) hinunter ins Ayeyarwaddy-Tal entlang der Sandsteinfelsen und zum entfernten Flussufer.
Dann folgen die ersten 2 regulären Schultage, an denen ich als Vertretung der entschuldigten Lehrerin Than Than Thay die Mittelschulklassen 6-9 ganztägig in Englisch unterrichte. Dies ist eine gute Gelegenheit, die Schüler und ihren Leistungsstand kennenzulernen.
Die Klassen sind klein -zwischen 5 und 13 Schülern- die Mitarbeit und Freude groß, der Respekt und Achtung vor den Lehrern ist tief und unvergleichbar mit unseren Breiten. Ein Schlaraffenland für einen an deutsche Schulen gewöhnten Lehrer.
Die Bereitschaft, dem Lehrer nachzusprechen oder einzelne erfragte Wörter zu produzieren ist sehr hoch. Jedoch stelle ich sehr schnell fest, dass eine Kommunikation, selbst eine sehr einfache Small Talk Situation, nicht möglich ist. Das kenne ich von Nepal und liegt ganz einfach an der in Asien offenbar überwiegend gängigen Methode des passiven Reproduzierens des Lehrers, sei es im Nachsprechen, im Abschreiben von der Tafel oder modellhaftem Umformen von vorgegebenen Strukturen, meist als Grammatikarbeit. Eigene, situative Sprechimpulse werden offenbar von Beginn an nicht geübt.
Also versuche ich dies gleich einmal mit einfachen Aufforderungen, die ich mit Zeichensprache und/oder im Vormachen mit meinem „englischsprachigen Stoffhund Trumble“ verständlich mache. Das dauert zwar mal kurze Zeit bis der Erste es kapiert, aber dann sehen es die anderen und können die engl. Anweisung ausführen. Dies geht dann im Wettbewerb: Der erste, der es kapiert rennt und macht die Tür auf (open the door please). Die Stunden gehen vorbei wie im Flug und wir alle haben einen Riesenspaß. Also es liegt an der Lehrmethode. Zwar dauert es noch etwas, bis die Schüler (dürfen jetzt Lehrer spielen) selbst die engl. Anweisungen geben können, aber das ist ja auch ein großer neuer Schritt für sie. Im Übrigen konnte ich dieselbe Methode in allen Klassen anwenden, da alle Schüler auf diesem Gebiet bei Null anfingen.
Nun war die Frage, ob und wie ich mit dem in der Mittelstufe eingesetzten Englischlehrer U Kaung Tin zusammenarbeiten konnte. Schnell wurden wir „Freunde“. Er hatte auch bei meinen Stunden kurz reingeschaut und war offensichtlich sehr angetan. Er wollte meine Methoden kennenlernen, wies aber auch darauf hin, dass in Kl. 5 und 9 die staatl. Prüfungen anstanden. So einigten wir uns auf ein kooperatives Modell: Er begann in der Regel mit seiner überwiegend auf Reproduktion basierenden Lehrweise und ich übernahm dann und wandte meine auf Kommunikation abzielenden Methoden an. So behandelte er z.B. ein Grammatikthema an der Tafel und ich kreierte im Anschluss daran Situationen, in denen die Schüler das Thema versprachlichen und kommunikativ anwenden sollten. Das war für alle Beteiligten sehr lehrreich und spannend und machte häufig auch großen Spaß. Für die Schüler waren Rollenspiele mit Bewegung im Klassenzimmer, Gruppenbildung und Pairwork bislang unbekannt. Mein Kollege übernahm auch schon ab und zu die neuen Anregungen und so waren wir ein gut funktionierendes Team. Entsprechend schwer fiel uns der Abschied nach einmonatiger enger Zusammenarbeit.
Schulsport steht zwar mit 1-2 Wochenstunden im Stundenplan und wird vom Mathematiklehrer und in den unteren Klassen von den Lehrerinnen „durchgeführt“. Es gibt keinen richtigen Sportlehrer. So wurde mein Angebot als Sportlehrer in den Oberklassen Volleyball einzuführen gerne angenommen.
Ein Netz wurde von Zoe besorgt und nach einigen Meinungsverschiedenheiten mit Marie über den Standort konnte es losgehen. Erst musste ich noch dem Lehrer klarmachen, dass er jetzt keine Freistunden hatte, sondern von mir die Grundbegriffe und deren Vermittlung im Unterricht erlernen sollte. Schließlich sollte er ja hinterher die Sache fortführen. Er war dann aber in kurzer Zeit so begeistert, dass er sogar in den Pausen mit den Schülern weiterübte und spielte. Ich war überrascht, mit wie viel Freude dieses Spiel von Groß u. Klein, von Buben wie Mädchen aufgenommen wurde, wenngleich man schon genau hinsehen musste, um dahinter das Spiel als Volleyball zu identifizieren.
Aber schließlich dauert dies an unseren Schulen manchmal ja auch 1 Jahr oder länger. Man sollte auch nicht vergessen, dass für die Kinder kaum eine Möglichkeit besteht, irgendwelche Sportarten in oder außerhalb der Schule auszuüben, so wie das bei uns der Fall ist.
Im Übrigen wird von den staatlichen Behörden unter vielen anderen Auflagen für Privatschulen auch eine Sportanlage gefordert, sodass ich einen Plan für den Platz vor dem Hauptgebäude erstellt habe, auf welchem Volleyball, Handball, Fußball, Basketball und evtl. Badminton gespielt werden kann. Dies soll dann baldmöglichst als Hartplatz erbaut werden.
Weiterhin wurde während meines Aufenthalts flott an der Errichtung des Obergeschoßes über dem Lehrerzimmer gearbeitet, Es ist so gut wie fertig. Dies soll das Klassenzimmer für Klasse 10 im kommenden Schuljahr werden. Auch dies eine staatliche Auflage (High School – bis Klasse 11).
Darüber hinaus wird noch ein Medienraum verlangt, aber ich schlug vor, den bestehenden Computerraum einfach als Medienraum auszugeben.
Die Räume sind von der Größe und dem Mobiliar schon so ausgelegt, dass für die zukünftige Erweiterung bzw. Vergrößerung der noch sehr kleinen Klassen vorgesorgt ist.
Ein Schultag läuft kurz beschrieben etwa wie folgt ab:
Ca. 8.45: Eintreffen der 2 Schulbusse mit den z.T. von entfernten Dörfern abgeholten Kinder.
09.00-10.30: 1.u.2. Std. dann 15 min Pause.
10.45-12.15: 3.u.4. Std. dann 45 min Mittagspause/Essen.
13.00-14.30: 5.u.6. Std. dann 15 min Pause.
14.45-16.15: 7.u.8. Std. Sammeln an den Bussen und Verabschiedung/Heimfahrt.
Was ich außer der Schularbeit (unterrichten, vorbereiten und Doku mit Lehrprinzipien/Methoden schreiben) von Myanmar gesehen habe, beschränkte sich auf einen eintägigen Ausflug zum Mt. Popa, den ich mit Victoire und unter der fachkundigen Leitung meines Englischkollegen u. seiner Frau an einem Samstag unternahm.
Den bekannten Touristenort Bagan mit seinen unzähligen Pagoden durfte ich nach Unterrichtsende für 2 Stunden „streifen“, als wir Maries Tochter von dort abholten. Wenigstens einen Eindruck nahm ich mit. Da wir aber erst kurz vor Dunkelheit eintrafen, sah ich dann Bagan by night.
Was ich sonst noch außerhalb der Schule von Land und Leuten sah, beschränkte sich auf Yenangyaung (Markt) und Umgebung. Dabei war für mich beeindruckend die Auslieferung der monatlichen Verpflegungsrationen an die von uns gesponserten Kinder/Familien mit dem Pickup. Zum einen konnte ich die mir zwischenzeitlich ans Herz gewachsenen Kinder zuhause sehen, was sie wiederum riesig freute und zudem die Angehörigen, Nachbarn sowie deren Lebensbedingungen kennenlernen.
Dann kam ich am letzten Schultag schlussendlich auch noch dazu, mein Patenkind mit Schwester und Oma/Opa zu besuchen und die mitgebrachten Geschenke zu übergeben.
Was ich ansonsten an Eindrücken mitnahm deckt sich mit den bisherigen Berichten, vor allem aber für mich herausragend in Erinnerung bleibt, dass ich in der gesamten Zeit an der Schule keinen Streit, kein aggressives Verhalten, weder im Unterricht noch in der Freizeit feststellen konnte.
Ein für mich richtig freudiges Ereignis war dann am letzten Tag vor meiner Rückfahrt nach Yangon, einem Samstag, als ich bei einem letzten Marktbummel plötzlich unter großem Hallo von den Schülern der Klasse 9 umringt war. Ich war sehr überrascht, sie fast alle, außer meinem Patenkind und einem anderen weit außerhalb wohnenden Jungen, auf dem Markt anzutreffen. Da ihr Englisch wirklich nur rudimentär ist, konnten wir uns nur mühsam verständigen. Was ich herausbekam war, dass sie sich mit meinem Englischkollegen zur Nachhilfe für die anstehende Prüfung treffen würden. Sie nahmen mich an den Händen (so viele wie möglich) und gemeinsam bummelten wir durch die Marktstraßen. Ich wollte noch Geschenke kaufen und sie halfen mir die Dinge zu finden. Dann gab es auch noch von mir ein paar Geschenke für sie und wir hatten viel Spaß. Dann zeigten sie mir die Hütte, in welcher sie Nachhilfe erhielten. Da offensichtlich noch genügend Zeit war, zeigten sie mir noch 2 Pagoden, die ich sonst wohl nicht gefunden hätte. Zuletzt führten sie mich noch zum Treffpunkt mit U Kaung Tin, der ebenso überrascht wie erfreut war, mich nochmal zu treffen. Die ganzen 2 Stunden zusammen waren wie ein Abschlussgeschenk für mich. Ich sah sie zum ersten Mal außerhalb der Schule, nicht in Schuluniform und ohne den angenehmen aber etwas distanzierenden Respekt vor Lehrern, sondern jetzt mit reiner Freude und Freundschaft gepaart mit dem Grundrespekt der in Burma ohnehin normal ist.
Tschüss und Mingalabar